Die Generation Golf verliert ihre Gimmicks
Das Comic-Heft "Yps" wird vorläufig eingestellt, doch darüber weinen nur die 30-Jährigen
Von Susanne Leinemann
Stuttgart - Vor wenigen Ausgaben lag dem Comic-Heft "Yps" noch ein
aufblasbarer roter Boxhandschuh als Gimmick bei - als zusätzliche Überraschung für
die Kinder also. Bei den schwindenden Auflagenzahlen der Zeitschrift war das
als Kampfansage an die Gesetze der Zeitungswelt zu verstehen. Denn längst
strahlten beim Empfang eines jeden neuen Heftes nicht mehr leuchtend die
Kinderaugen, sondern die ihrer 30-jährigen Eltern, denen "Yps" eine liebe
Erinnerung an ihre eigene Kindheit ist. Für die so genannte Generation Golf ist
das wöchentlich erscheinende "Yps" bis heute eine Ikone ihrer Vergangenheit.
Doch der Sprung in die Gegenwart wollte dem Heft wohl nicht gelingen.
Pünktlich zum Jubiläum wird "Yps" nun im nächsten Oktober vorläufig
eingestellt - nach 25 Jahren durchgehendem Erscheinen. "Wir wollen eine Denkpause
einlegen", sagt die Pressesprecherin des Ehapa-Verlages Christina Godau. Der
Stuttgarter Comic- und Kinderzeitschriftenverlag, der den Heftmarkt für
Kinder unter zwölf Jahren unumstritten dominiert, hatte "Yps" vor einem Jahr
vom Hamburger Verlag Gruner + Jahr übernommen. Obwohl man trotz schwindender
Käuferzahlen weiterhin an das Produkt geglaubt habe, so Godau, habe das
Konzept nicht funktioniert. Längst ist die Traumauflage von 400 000 Exemplaren in
weite Ferne gerückt, auch gute Ergebnisse von 200 000 Stück werden nicht
mehr erreicht. Jetzt dümpelt sie deutlich unterhalb von 100 000 Exemplaren,
wie der Marketing-Manager von Ehapa, Sascha Meyer, bestätigt.
Seit seinen ersten Ausgaben 1975 - ein Jahr zuvor gab es vier Testausgaben
- arbeitet "Yps" mit dem Markenzeichen des Gimmicks. Diese Woche ist es das
Solar-Ufo. Gut sichtbar unter durchsichtigem Zellophan verpackt, sollen die
lustigen Beipacks zum Kauf reizen. Doch längst haben andere Hefte - auch
aus dem eigenen Ehapa-Hause - die Idee übernommen. Aufkleber,
Schlüsselanhänger und Notizblöcke liegen Heften von "Mickey-Maus", "Wendy" oder "Sailormoon"
bei. Mitsamt dem Markenzeichen gehört die exklusive "Yps"-Vormachtsstellung
einer nostalgisch verklärten Vergangenheit an.
"Dann warteten wir - belächelt von frühreifen Bravo-Leserinnen -
sehnsüchtig auf die neueste Ausgabe von ,Yps', um die Gimmicks auszuprobieren",
schreibt Florian Illies in seinem Buch "Generation Golf". "Am nächsten Tag hatten
wir dann alle das beigelegte Plastik-Dracula-Gebiss an, wodurch der
erwünschte Überraschungseffekt ein wenig verwässert wurde." Auch andere Gimmicks
wurden legendär. Da war der schwarze Superzeppelin, der mit Sonnenwärme flog
oder die verspiegelte Agentenbrille, mit der man rückwärts gucken konnte. Im
Gedächtnis aller Generation-X-Mitglieder verhaftet sind auch die
getrockneten Urzeitkrebse, die in einem Wassertank zum Leben erweckt werden sollten.
Das dazugehörige Futter kam dann praktischerweise im nächsten Heft - eine
Woche später.
Heute, so die Erfahrung der Macher, sind naturwissenschaftlich angehauchte
Beigaben für die Kinder nicht mehr interessant. Die Lust am umständlichen
Basteln ist vergangen, jetzt sind Sachen gefragt, die sofort funktionieren
und etwas hermachen. Aber einfach nur Spielzeug beizulegen, das geht gegen die
Markenphilosophie von "Yps". Doch von der will man sich lösen. Denn dass
die Marke "Yps" vor ein oder zwei Jahrzehnten so beliebt war, macht sie heute
unverkäuflich. "Das Problem ist, dass die letzten Generationen eine höhere
Bindung an ,Yps' hatten als die heutige Generation", sagt Marketing-Manager
Meyer. Damit "Yps" die Chance bekomme, ein neues, zeitgemäßes Image zu
entwickeln, solle es jetzt für ein bis zwei Jahre vom Markt geholt werden.
Ob dieses Konzept aber aufgeht - falls "Yps" denn tatsächlich auf den
Markt zurückkehren sollte -, ist fraglich. Gerade hat der Ehapa-Verlag das Comic
"Fix und Foxi" wieder aus der Versenkung geholt; ein ähnlicher Fall wie
"Yps". Auch hier sind die Zahlen, laut Verlag, noch nicht so wie erwartet.
Unwahrscheinlich also, dass noch so ein Heft aus den siebziger und achtziger
Jahren im neuen Jahrhundert funktionieren wird.
Die kleine "Yps"-Redaktion - Chefredakteur Hansjürgen Meyer ist das
einzige Mitglied, und gezeichnet werden die Comics mit dem karierten Kängeruh in
Spanien - wird den Verlust wegstecken. Meyer betreut noch andere Projekte im
Verlag. Doch für einen wird das vorläufige Ende schwer. Reinhard Haas aus
München denkt sich seit 25 Jahren die Gimmicks aus. Von ihm stammen das
"Furzkissen" und die "Eckige-Ei-Maschine". Ein Ehrentitel bleibt ihm: Ihretwegen
wird er längst der Vater der Gimmicks genannt.
Die wichtigsten Gimmicks
Schwarzer Superzeppelin
Agentenset
Tote Schmetterlinge
Urzeitliche Flusskrebse
Kristalle zum Züchten
Pupsmaschine
Mulitfunktionstaschenlampe
Marsmobil
Klebekröte
Tropengewächshaus
Pocket-Reisedrachen
Pumprocket
Wrist-Shooter
Wilder Spaceball
Fliegenschreckpistole
U-Boot mit Froschmännern
New Racer
Glühender Flugsaurier
© beim Autor/DIE WELT 10.07.2000
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