Am Ende aller Gimmicks
Schluss mit Urzeitkrebsen und Gelddruckmaschine: Nach 25
Jahren kommt das letzte Yps-Heft an die Kioske – zumindest
vorerst
Von Michael Zirnstein
München – Der Yps-Tag begann harmlos wie jeder Dienstag. Ein paar
Grundschüler rissen in der Nähe des Hamburger Flughafens die
Plastikhülle auf, schnappten sich das Gimmick – das dem Heft beigelegte
Spielzeug – und blätterten nach der Gebrauchsanleitung. Sie breiteten die
dünne, schwarze Plane aus, schwenkten sie durch die Luft, bis sie sich
gefüllt hatte, verknoteten das Ende und banden die Drachenschnur daran
fest. Eine Weile passierte nichts. Die Sonne erwärmte die drei Meter
lange Luftwurst. Sie begann zu schweben, stieg höher und höher. Der
Sicherheitsdienst des Flughafens löste Terroristenalarm aus. Im ganzen
Land hingen tausende „Solar-Zeppeline“ am Himmel. Am nächsten Tag
meldeten die Zeitungen überall Ufo-Sichtungen.
Fast 20 Jahre später gibt es wieder Aufregung um Yps. Am heutigen
Dienstag kommt die vorerst letzte Ausgabe der Comic-Zeitschrift mit dem
gewissen Etwas an die Kioske. Für 4,90 Mark bringt Nummer 1253 ein
„Leuchtendes Sound-Ufo“, einen Rückblick auf die lustigsten Pannen in
25 Jahren Yps und Abschiedsgrüße der Macher, etwa von dem Münchner
Erfinder Reinhard Haas, der von Anfang an die Gimmicks mitentwickelte.
„Zuletzt lag die Auflage im Schnitt bei 85 000 verkauften Exemplaren. Zu
Spitzenzeiten waren es 400 000. Es reicht halt nicht“, erklärt Marion
Egenberger, Sprecherin des Egmont Ehapa Verlags. Auf dem Markt habe
es eine „Inflation“ der Kinder- und Jugendmagazine gegeben, berichtet
Egenberger, Extras – wie Yps sie 1975 als Lockmittel einführte – seien
„eine Selbstverständlichkeit“.
Auf Marsianer vorbereitet
Die Botschaft vom Ende der Yps-Ära hat vor allem alte Fans schwer
getroffen. Sie haben „Rettet-Yps“-Vereine gegründet und diskutieren im
Internet, wie man das Heft und die Welt retten kann. „Wie soll man ohne
den ‘Signalreif der Marsianer’ selbstbewusst auf gerade gelandete Aliens
zugehen?“, fragt ein verzweifelter Anhänger. Die Gimmicks hatten für
viele den Spielplan der darauffolgenden Woche bestimmt: Die Leser
gingen mit „Fernrohr“ und „Miniangel“ als Abenteurer auf die Pirsch oder
legten sich mit dem „Blasrohr, das um die Ecke schießt“ in
Agenten-Mission auf die Lauer. Sie unterhielten die ganze Familie mit
Scherzartikeln („Furzkissen“) und Zaubertricks („Gelddruckmaschine“)
und überraschten beim Sonntagsfrühstück mit „Viereckigen Eiern“.
Yps-Leser lernten Verblüffendes aus der Botanik („Der Ostereierbaum“)
und übernahmen früh Verantwortung für ihre ersten Haustiere: Aus einem
Yps-Pulver ließen sie in Einmachgläsern „Urzeitkrebse“ gedeihen – und
spülten die lebendigen Spielgefährten, wenn sie ihrer überdrüssig wurden,
ins Klo. „Yps hat mich mein ganzes Leben begleitet“, erinnert sich ein 31
Jahre alter Fan trauernd im Internet.
„Ach, hätte doch nur einer dieser Nostalgiker in letzter Zeit ein Heft
gekauft“, ärgert sich Ehapa-Sprecherin Egenberger. Gleichwohl sei dem
Verlag angesichts der Fülle der Sympathiebekundungen bewusst
geworden, „die Marke Yps ist zu stark und zu gut, um sie einzustellen“.
Verschiedene Abteilungen seien beauftragt, das Heft völlig neu zu
konzipieren, sagt Egenberger, und vertröstet die schluchzenden Fans auf
Mitte nächsten Jahres. „Wir werden weitermachen, in welcher Form auch
immer. “
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