Yps
Erwachsenwerden ist schwer. Das weiß jeder, der schon einmal in dieser Situation war. In den meisten Fällen geht es nicht ohne Schwierigkeiten über die Bühne, schließlich gilt es unendlich viele Details zu beachten: Vernünftig muß man als Erwachsener sein. Vor allem vernünftig. Aber auch ordentlich, umsichtig, höflich, seriös und natürlich wahnsinng erfahren - ganz und gar erwachsen eben.
Der Schritt in diese reglementierte Erwachsenenwelt fällt den wenigsten Menschen wirklich leicht. Und so ist es kein Wunder, daß die meisten Zeitgenossen diesen Schritt nie vergessen - und häufig an ein bestimmtes, besonders einschneidendes Erlebnis oder Ereignis knüpfen. An das Ende der Schulzeit zum Beispiel, wenn plötzlich der angebliche Ernst des Lebens in Form von Bundeswehr, Zivildienst oder Berufsausbildung beginnt. Oder an die erste eigene Wohnung, wenn sich der Kühlschrank mit einem Mal nicht mehr von alleine füllt und sich die Wäsche nicht mehr selbständig bügelt. Oder an den ersten richtigen Job, wenn man fortan immer früh aufstehen, nicht mehr alle duzen und immer rasiert und ordentlich angezogen rumlaufen muß.
Manche Leute lassen all diese Vorgänge vollkommen kalt, sie werden erwachsen, wenn sie heiraten und Kinder kriegen. Andere bleiben sogar von diesen freudigen Ereignissen unbeeindruckt, sie knüpfen das Ende ihrer Adoleszenz eher an kulturelle oder politische Geschehnisse - wie etwa der Freund, der immerzu von jenem Tag spricht, an dem sich die "Bay City Rollers" offiziell auflösten. Oder jener Mann, der mit einem Schlag seine kindliche Unschuld verlor, als er erfuhr, daß man auch als drittklassiger Schauspieler amerikanischer Präsident werden kann.
Manchem Zeitgenossen wird gar der vorige Dienstag als schicksalhaft in Erinnerung bleiben: An diesem Tag ist nämlich "Yps" zum letzten Mal erschienen. Nach fast 25 Jahren und 1253 Gimmicks. Für viele Leute, die jetzt so um die Dreißig sind, ist das poppige Jugendmagazin, dem in einer Plastikhülle immer ein ungewöhnliches Spielzeug - der sogenannte Gimmick - beilag, ein Stück Kindheit. Urzeitkrebse aus der Tüte, die verspiegelte Agentensonnenbrille, mit der man rückwärts gucken konnte, die glibbschige Klebekröte, die Stirnlampe, die kleine Gelddruckmaschine und all die anderen legendären Überraschungen gehören nun der Vergangenheit an. Und das Wehklagen derer, die mit dem Aus für das Comic- Heft das Ende ihre Kindheit gekommen sehen, füllt ganze Internet-Seiten. "Wenn Yps stirbt, stirbt das letzte Relikt meiner Jugend. Dolomiti-Eis ist tot, meine Mutter spült nicht mehr mit den Pril-Blumen, Klementine ist weg, und Persil hat auch keine rote Schleife mehr", trauert etwa ein unbekannter Yps-Leser in den unendlichen Weiten des World Wide Web.
"So ist das nun einmal mit dem Erwachsenwerden", möchte man ihm zurufen. Im übrigen gibt es ja für "Yps" - im Gegensatz zum Erwachsenwerden - ein bißchen Hoffnung: Der Stuttgarter Ehapa-Verlag hat angekündigt, die endgültige Einstellung des Hefts doch noch verhindern zu wollen. Mit einem neuen Konzept könne "Yps" möglicherweise im nächsten Jahr wieder auf den Markt kommen.
© Peter Badenhop/Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 15.10.2000
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