Die Urzeitkrebse müssen abtreten
Nach 25 Jahren wird das legendäre „Yps“-Magazin eingestellt
Die Maschine, die viereckige Eier macht und – natürlich! – die legendären Urzeitkrebse: Wer bei dem Gedanken daran in seligen Kindheitserinnerungen schwelgt, für den ist heute ein schwarzer
Tag: Ausgerechnet zum 25-jährigen Jubiläum wird das legendäre „Yps“-Magazin eingestellt.
Wie lautet das erste englische Wort, das deutsche Kinder lernen? Heutzutage vermutlich Game Boy oder Compact Disc. Es gab aber eine Zeit, da konnte der Nachwuchs vielleicht noch nicht mal schreiben,
wusste aber bereits, was ein „Gimmick“ ist: nämlich die wöchentliche Beilage, die gemeinsam mit dem Yps-Magazin in eine Plastikfolie eingeschweißt am Kiosk auslag.
Der deutsche Zeitschriftenmarkt im Oktober 1975: Rund 70 Comictitel kämpften um das Taschengeld der jungen Käuferschicht. Doch außer einem gelegentlichen Bastelbogen hatte selbst das Flaggschiff Micky
Maus keine Extras zu bieten. Das änderte sich schlagartig mit dem Erscheinen von Yps: Nach fünf Testausgaben erschien die offizielle Nummer 1 mit dem Gimmick „Das Schleuderkatapult“. „Damit schießt du weit
und triffst jedes Ziel“ erläuterte das Cover.
Kein sonderlich hoher praktischer Nutzen also, aber der sollte auch bei den mehr als 1000 folgenden Beigaben nicht immer im Vordergrund stehen. Dennoch schlug Yps ein wie eine „ Kompressions-Rakete“
(Gimmick 36): In Spitzenzeiten erreichte das Heft eine Auflage von mehr als 600 000 Exemplaren.
Zwar bot das Magazin noch Comics mit dem karierten Känguru Yps oder ein Technik-Sammellexikon, der Knaller blieben aber die Gimmicks. Auch wenn die Ankündigung oft deutlich blumiger daherkam als das
eigentliche Produkt: So war etwa das Abenteuerzelt (248), nüchtern betrachtet, nicht viel mehr als ein bedruckter Müllsack. Um so mehr faszinierten Natur-Gimmicks wie die im Laufe der Jahre 20-mal wiederholten
„Urzeitkrebse“. Diese „Artemia salina“ kamen trotz ihres hohen Alters (seit 98 Millionen Jahren auf der Erde) in einem kleinen Beutel daher. In ein Glasgefäß geschüttet, sollten aus dem Pulver nach 24 Stunden die
ersten Krebse schlüpfen – sofern die kleine Schwester es nicht mit Brause verwechselt und verschluckt hatte, wie ein Micha auf der Yps-Homepage berichtet.
Diese und ähnliche Yps-Erlebnisse prägen die kollektive Erinnerung der „Generation Golf“ (Florian Illies). Alles Geschichten aus dem vergangenen Jahrhundert allerdings, und so sind es wohl auch primär die
Mittzwanziger bis Mittdreißiger, die jetzt um Yps trauern. Denn im Zeitalter von Pokemon und Big Brother ist die Auflage auf unter 80'000 Stück gesunken.
Dabei hatte der an sich renommierte Ehapa-Verlag das Magazin erst vor einem Jahr übernommen – nur, um es endgültig an die Wand zu fahren. Böse Zungen behaupten, hier solle ein Konkurrent für das
Ehapa-Flaggschiff „Micky Maus “ plattgemacht werden. Denn selbst Rettungsaktionen von Radiosendern und im Internet fruchteten nichts: Heute erscheint die „vorerst“ letzte Ausgabe mit Gimmick 1253. Ein
Relaunch in unbestimmter Zukunft ist angeblich angedacht. Angesichts der seit der Übernahme ins Bodenlose gesunkenen Qualität ein fragliches Unterfangen: Besser wäre es für Yps, in Ehren abzutreten – so wie
das bereits Generationen von Urzeitkrebsen getan haben. . .
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